4. Der Krieg gegen die Ghezarka

Die neuen Armeen des Ordens und die aufstrebende Schmiedekunst in Danglar verlangten den eher knappen Bodenschätzen des Reiches einiges ab. Die höchste Konzentration an Minen, vor allem für das wichtige Eisenerz, lag und liegt heute noch im Süden Danglars, im Randgebiet des Gebirges. Dort wohnten die Ghezarka, die Zwerge Danglars, in großen, steinernen Festungen, die sich halb ober-, halb unterirdisch erstreckten. Sie kontrollierten einen Großteil der Erzvorkommen, und über viele Jahre hinweg sorgte reger Handel für blühende Landschaften. Mit der wachsenden Macht der Menschen war es aber nur eine Frage der Zeit, bis es zum Streit kam. Dieser Streit kam vor rund 730 Jahren zum offenen Ausbruch.

Wessen Schuld es war, ist heute nicht mehr zu erkennen. Fakt ist, das die Menschen irgendwann die erste Festung der Ghezarka einnahmen – Fakt ist aber auch, das die Zwerge den Krieg gegen den Waldfürsten ausnutzten, um Preistreiberei zu betreiben, und dass sie menschliche Minen sabotierten, um eine Monopolstellung zu erlangen. Schlußendlich kam es also zum Krieg, der vor allem vom Orden (aus Nachschubgründen) und, weitaus weniger erstaunlich, von der Gilde forciert wurde. In einem mehrere Jahrhunderte dauernden, langsamen Feldzug wurden die Zwerge Festung für Festung ausgerottet. Die Festungen wurden eher selten zerstört, sondern größtenteils übernommen und ausgebaut, zumal sie meistens direkt über den Minen lagen. So kommt es, daß das heutige Falghorat Festenstein über immens viele Befestigungsanlagen verfügt, und so ist es überhaupt zu seinem Namen gekommen.

Im Anfang des Krieges waren die Zwerge besser ausgerüstet, hatten mehr Ressourcen und eine größere Armee. Eines aber hatten sie nicht, was die Menschen im Überfluß hatten: Einigkeit und Loyalität. Die einzelnen Zwergenregionen, ja sogar einzelne Festungen lagen in mehr oder weniger großem Zwist miteinander, und sie stritten untereinander um den Thron des Königs der Berge. Als im Westen des Gebirges die erste Schlacht entbrannte, kämpfte nicht einmal ein Zehntel der Zwerge gegen die Menschen, und kaum jeder Zweite erfuhr überhaupt von der Auseinandersetzung.

Ghezarka sind langlebig, und so kämpften größtenteils erfahrene, schwergerüstete Veteranen gegen die Menschen. Im Gegenzug ließ ihre geringe Vermehrungsrate ihnen nur wenige Möglichkeiten, Verluste auszugleichen, und so dauerte es zwar eine Weile, bis die erste Auseinandersetzung beendet war, aber die Menschen hatten gewonnen. Der darauffolgende Frieden war nur von kurzer Dauer – die nächste Schlacht gegen die Zwerge sollte bald folgen.

Mehr als 150 Jahre ging das so – viele Menschen starben, aber noch mehr Zwerge wurden dahingerafft. Der Krieg kostete beide Rassen viel, aber im Laufe der zahlreichen Einzelkriege verfeinerten beide Rassen ihr Können in der Feldschlacht, in der Belagerung und in der Verwaltung von Ressourcen. Gleichzeitig rüsteten die Menschen immer weiter auf – vor allem der Orden des Erbauers bediente sich fleißig bei der Technologie der Zwerge, bis beide Rassen gleichauf waren. In Dutzenden kleiner Schlachten, die heute nur noch zusammenfassend die Zwergenkriege genannt werden, eroberten die Menschen innerhalb von etwa 100 Jahren fast zwei Drittel des Zwergenreiches, ohne das es zu nennenswerten Erfolgen bei den zwergischen Gegenoffensiven gekommen wäre – zu vereinzelt und unorganisiert gingen die Zwerge vor. Die einzelnen Gruppen der Berg-, Kavernen-, Hügel- und Klippenzwerge arbeiteten einfach nicht zusammen.

Dann aber merkten selbst die sturen, alten Zwerge, das es so nicht weitergehen konnte. In einer großen Konklave vereinten sich die Streitkräfte der Zwerge zu einem großen Heer unter einem gemeinsamen General, dem legendären Khazukegg. Er führte die Zwerge zu einer überraschenden, gemeinsamen Aktion: Auf allen Fronten griffen sie die Menschen an, verwendeten kombiniert ihre zahlreichen Erfindungen und nutzten all ihr Jahrhundertealtes Wissen über ihre eigenen Tunnel, Bergwerke und Festungen.

In nur 3 Jahren vertrieben sie die Menschen aus all ihren Befestigungen. In den nächsten 10 Jahren eroberten sie fast das ganze Falghorat Festenstein, dann erst kam ihr Vormarsch ins Stocken. Ihre Ressourcen waren an ihre Grenzen gestoßen, und ihre Reihen waren durch die Offensive stark ausgedünnt.

Für die Unbillen, die die Zwerge wären der vergangenen Jahre erlitten hatten, gingen sie sehr geduldig vor: Die menschlichen Zivilisten, die nicht hatten flüchten können, wurden fast ignoriert, selten hatten sie unter irgendwelchen Repressalien zu leiden. Man kann nicht sagen, dass die Danglarer ebenso rücksichtsvoll vorgingen – allerdings waren bei den Ghezarkha Zivilisten auch schwer zu erkennen. Die Menschen im besetzten Bereich allerdings konnten ihr Leben beinahe so weiter führen, wie sie es gewohnt waren – selbst die Preardin durften weiter ihre Messen abhalten, so der Orden sie nicht zurückgerufen hatte.

Foto © Pancaketom | Dreamstime.com – Old Mine Entrance

Das alles hinderte die Menschen allerdings nicht, erschrocken eine Gegenoffensive auf die Beine zu stellen. Sie konnten ihre Verluste schneller ausgleichen als die Zwerge, und so marschierte die nächste Ordensarmee schon nach wenigen Jahren Richtung Festenstein. Der Rat und der Falghat waren sich einig, dass die Besatzung endgültig zuviel war, und so hatten die Danglar sich zum Ziel gesetzt, die „Bedrohung“ durch die Zwerge endgültig auszurotten.

Knapp dreißig Jahre später waren die südlichen Gebirge komplett erobert. Khazukegg war schon zu Beginn der Offensive in seinem Quartier in einer besetzten Stadt ermordet worden, und die Zwerge waren ohne den fähigen Feldherren weitaus weniger wehrhaft. Die Menschen wurden durch das Attentat vor weit schlimmeren Verlusten bewahrt, als sie sonst hätten hinnehmen müssen.

Wenige Zwerge überlebten die Kriege, die verlustreich für die Menschen abliefen, aber ihre Kriegskunst auch in der offenen Feldschlacht und in der Belagerung verfeinerten. Schließlich hatten sich hier zwei Rassen mit fast gleichen technologischer und körperlichen Grundvorraussetzungen duelliert, und hätten die Danglar nicht die Magier fast ebenfalls ausgerottet, so wäre der Krieg wesentlich schneller zuende gewesen. So aber führten oftmals die Preardin und Khardin mit heilenden Kräften und mit der Macht des Erbauers die Entscheidung herbei – die Ghezarka waren, was Magie anbelangte, praktisch vollkommen unwissend.

Knapp 200 Jahre dauerte die endgültige Eroberung des Südens. Weil die Zwerge im Anfang kaum organisierte Gegenwehr leisteten, hatten die die Truppen der Menschen zwischen einzelnen Angriffen teilweise Monate Zeit, eine weitere Angriffswelle vorzubereiten. Von Festung zu Festung erhöhte sich zudem ihr Können in der Belagerung, so dass die Zwerge die Dringlichkeit der Lage meist erst begriffen, als es zu spät war.

Vor gut fünfhundert Jahren wurde das gesamte ehemalige Gebiet der Zwerge für dem Reich Danglar zugehörig erklärt. Festenstein ist heute eine einzige große Festung gegen den Wadfürsten und die Yrch, zudem ist es das Herz der Handwerker und Schmiede in Danglar. Wäre nicht die Abhängigkeit von den im Nordwesten produzierten Nahrungsmitteln, könnte Festenstein jeder Belagerung jahrhunderte trotzen. Weil Menschen aber nicht von den unterirdischen Nachtschattengewächsen leben können, die jahrhundertelang die Hauptnahrung der Ghezarkha darstellte, würden sie sich dort nicht so lange halten können wie die Zwerge.

Heute gibt es kaum noch Zwerge in Danglar. Das Volk hat ihnen gegenüber keine Haß – die Lehre ist, dass dieser Krieg kein grundsätzlicher Existenzkampf wie gegen Waldfürst oder Yrch war, sondern schlichtweg eine Entscheidung über eine bestimmte Ressource. Das hilft natürlich den Zehntausenden Toten wenig, wohl aber den Zwergen anderer Länder, die heutzutage Danglar bereisen. Sie treffen praktisch auf keine Feindseligkeit, solange sie sich benehmen. Die Danglar sind nicht nachtragend – schließlich haben sie gewonnen.